Pellworm: Heikle Mission - Rettung aus luftiger Höhe (sh:z - 10. September 2008)

Bei rund 600 Windkraftanlagen in Nordfriesland kann es immer wieder einmal zu einem Unfall kommen. Um sich für den Ernstfall zu wappnen, üben Rettungs-Teams die Bergung von Verletzten aus luftiger Höhe. Die Bergung eines Verletzten aus der Kanzel einer 60 Meter hohen Windmühle wurde jetzt auf der Insel Pellworm geübt. Angereist waren dafür 15 Frauen und Männer des Rettungsdienstes „Nordfriesland Mitte“ sowie der Feuerwehren Breklum, Vollstedt und Struckum. Drei dieser Rettungs-Teams gibt es in Nordfriesland. Ihre Mitglieder sind spezialisiert auf Rettungen aus großer Höhe – ausgebildete Rettungsassistenten, die notfalls bei der Erstversorgung oben in der Kanzel auch einen Notarzt vertreten können.

„Vor fünf Jahren wurde die Einrichtung nach einem Unfall mit Todesfolge in großer Höhe auf einer Mühle in den Reußenkögen gegründet“, erläuterte Matthias Ketelsen vom Rettungsdienst auf Pellworm. Mit der steigenden Anlagenzahl und -höhe wächst auch die Unfallgefahr. Und: Feuerwehren vor Ort haben weder die Ausrüstung noch die Ausbildung, Verletzte aus großer Höhe von Windmühlen, Türmen oder ähnlichen Bauwerken herunter zu holen. Sie übernehmen als Ortskundige jedoch die Einsatzleitung und die Absicherung am Unfallort.

Da der Aufstieg in die Kanzel bei den Mühlen-Typen unterschiedlich ist (bei „Vestas“ zum Beispiel im Inneren des Turms, bei „Enercon“ durch außen angebrachte Steigeisen), musste für den Rettungsdienst ein universelles Equipment angeschafft werden, um sowohl innen wie außen abseilen zu können. In der Kanzel selbst herrscht qualvolle Enge, sie ist vollgestopft mit Technik und auf knapp fünf Quadratmetern Fläche müssen vier Retter den Verletzten zunächst je nach Art der Verletzung erstversorgen, dann auf eine Trage unverrückbar festschnallen und wie bei der Vestas-Anlage des Unternehmers Sven Frener durch enge Löcher 60 Meter senkrecht an Seilen nach unten herablassen. Bei diesem Übungsfall wurden Arm- und Beinverletzungen unterstellt, so dass erst einmal provisorisch geschient werden musste. Zu allem Überfluss wurde der einzige Arzt der Insel, der als Notarzt mit nach oben sollte, zu Beginn des Aufstiegs wegen eines tatsächlichen Unfalls auf der Insel abgerufen. Der „Verletzte“ erklärte später: „Es ist doch ein ganz eigenartiges Gefühl, statt aktiv mitzuhelfen, bewegungsunfähig verschnürt und absolut hilflos in die Tiefe gelassen zu werden“.

Die Ausrüstung der Rettungs-Teams wird in einem eigenen Materialtransportwagen mitgeführt. Sie benötigt eine Menge Platz und wiegt rund 100 Kilogramm. Insgesamt hat sie einen Wert von 60 000 Euro und wird von den Mühlenbetreibern gestellt, erläuterte der Leiter des Rettungsdienstes, Christian Wehr. Den Abtransport von Verletzten am Boden und die weitere Versorgung übernimmt dann jeweils die örtliche Feuerwehr mit eigener Ausrüstung und Hilfe eines zugezogenen Arztes. Insel-Standorte stellen besondere Herausforderungen, so Christian Wehr: „Hier muss eine eigene Logistik entwickelt werden, da die Abfahrtszeiten der Fähren nicht immer passen, der Rettungskreuzer auch mal im Einsatz sein kann und die großen Hubschrauber der Bundeswehr auch nicht mehr so uneingeschränkt wie früher zur Verfügung stehen. Die Ausrüstung muss ja in jedem Fall mit und wir streben an, innerhalb einer Stunde am Unfallort zu sein.“ Der nordfriesische Rettungsdienst arbeitet kreisübergreifend, da in vielen Nachbarkreisen ähnliche Einrichtungen noch fehlen.